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Che Guevara   ||   Über Kuba   ||   Und vieles mehr ...

Rudi Dutschke
der deutsche "Che"

 

1940 im brandenburgischen Luckenwalde geboren, ist Rudolf "Rudi" Dutschke in der DDR aufgewachsen. Wegen öffentlicher Kritik am Militarismus bleibt ihm dort ein Studium der Sportjournalistik verwehrt. Dutschke siedelt 1961 nach West- Berlin über, kurz vor dem Mauerbau. Während seines Soziologiestudiums liest er Werke marxistischer und sozialistischer Autoren. "Rudi" entwickelt sich zu einem begabten Redner, der das "kapitalistische System" kritisiert und eine antiautoritäre Emanzipation fordert. Seine Organisation ist der "Sozialistische Deutsche Studentenbund" (SDS).

Die Studentenproteste wenden sich gegen den "Muff der tausend Jahre", der unter den Talaren der Professoren herrsche. Gegen die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD bildet sich eine breite "Außerparlamentarische Opposition" (APO). Kritisiert werden die sogenannten "Notstandsgesetze", die der Regierung bei einem "Notstand" weitere Befugnisse einräumen sollen. Zentral ist auch die zunehmende Ablehnung des US-amerikanischen Engagement in Vietnam.

Am 2. Juni 1967 protestieren die Studenten bei einem Besuch des persischen Schahs Pahlewi. Ein Kriminalobermeister wähnt sich umstellt, schießt und trifft den Studenten Benno Ohnesorg tödlich. Demonstrationen, aber auch Ausschreitungen sind die Folgen.

Der Anschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 findet nicht im luftleeren Raum statt. Bei dem Schützen Bachmann findet man ein Ausschnitt der rechtsextremen "National-Zeitung" vom 22. März. Oberhalb von fünf Photos Dutschkes steht dort die Schlagzeile: "Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg". Am 10. April kritisiert Pastor Heinrich Albertz, bis März 1968 Berliner Regierender Bürgermeister, die an- und aufgeheizte Atmosphäre bei einer "Gegendemonstration". Dort ist ein Dutschke-"Doppelgänger" fast gelyncht worden. - Besucher des Hauses finden diesen Redeausschnitt und andere im Informationszentrum (D97/331; z. B. auch die von Dutschkes Frau Gretchen verfaßte Biographie; B97/1039).

Am 11. April nach dem Attentat kämpfen die Ärzte um Rudi Dutschkes Leben. Die studentische Jugend ist durch das Attentat aufgebracht. Sie richtet ihre Wut gegen die Springer-Presse und die Berliner Landesregierung. Der DDR-Liedermacher Wolf Biermann sieht in seinem Song "Drei Kugeln auf Rudi Dutschke" eine Mittäterschaft des Berliner Senats, der Bundesregierung und der Springer-Zeitungen. Diese stellen etwa ein Drittel der Gesamtauflagen, der in der Bundesrepublik erscheinenden Zeitungen, sonntags neun Zehntel.

Ein Flugblatt des SDS vom gleichen Tage - es hängt in der Dauerausstellung des Museums- hält diese Medienmacht für mißbraucht: " Man kann jetzt schon sagen, da dieses Verbrechen nur die Konsequenz der systematischen Hetze ist, welche Springer-Konzern und Senat in zunehmendem Maße gegen die demokratischen Kräfte dieser Stadt betrieben haben ".

In Berlin wird das Springer-Hochhaus angegriffen, es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Auf beiden Seiten gibt es Verletzte. In der gesamten Bundesrepublik entstehen Unruhen. Aus den Protesten wird eine Revolte, für manche später: eine "Revolution" oder der Terrorismus der "Roten Armee Fraktion" (RAF). Justizminister Gustav Heinemann appelliert an die Vernunft beider Seiten:

"Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, daß in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen".

Rudi Dutschke überlebt das Attentat. Die Bild-Zeitung titelt: "Dutschke flucht wieder"! Er nimmt nach einer langen Genesungsphase wieder an der öffentlichen Diskussion teil und wirkt bei der Entstehungsphase der "Grünen" mit. Von den Schüssen erholt er sich jedoch nie mehr völlig. Er lebte danach kaum noch in Deutschland, doch kämpfte er weiter "leidenschaftlich gegen den Strom für dieses Deutschland", wie seine Frau schreibt. Rudi Dutschke stirbt Weihnachten 1979 in Arhus / Dänemark an den Spätfolgen des Attentats vom 11. April 1968.
 

Die Revolution, das war das Leben von Rudi Dutschke, der Bruch mit dem herrschenden System sein Ziel. Dutschke symbolisierte die Studentenrevolte von '68. Mit seinen Ideen und Reden faszinierte und polarisierte er die Menschen.



Das Sich-Verweigern erfordert Guerilla-Mentalität
Vorgetragen von Rudi Dutschke am 05.09.1967 auf der
22. Delegiertenkonferenz des SDS in der Frankfurter Mensa

Die beiden zentralen politischen Ereignisse, an denen sich innerhalb des Verbandes seit der letzten Delegierterikonferenz dessen politische Aktivität dichotomisch polarisierte, waren die Bildung der Großen Koalition und der politische Mord am 2. Juni in Berlin. Erstmalig seit der Abspaltung von der SPD stellte sich die Organisationsfrage als eine aktuellpolitische innerhalb des Verbandes. je nachdem, welchem von diesen Ereignissen die politische Präponderanz zugesprochen wurde, kam es zu tendenziellen Fraktionsbildungen, die sich durch die objektive Intention auszeichneten, die theoretischen Meinungen zu praktisch-politischen Richtungskämpfen zu konkretisieren.

Deren mögliche organisatorische Konsequenz wurde etwa vom Bundesvorstand aus der Erfahrung der Protestbewegungen, besonders Jugendlicher, ebenso vage wie inhaltlich leer als formal lockere, inhaltlich einheitliche öffentlich arbeitende Organisation beschrieben und in Berlin unter dem Titel der Gegenuniversität und Institutsassoziationen diskutiert, während anderen Gruppen die Bildung der Großen Koalition Anlaß zum wiederholten Versuch einer Sammlungsbewegung sozialistischer Gruppen und Grüppchen bot. Darüber hinaus wurde die Aktualität der Organisationsfrage nach dem 2. Juni für einige SDS-Gruppen umso akuter, als sie ihre organisatorische Unzulänglichkeit praktisch erfahren mußten. Der noch nie dagewesenen Verbreiterung des antiautoritären Protestes nach dem 2. Juni war die überkommene, noch an der SPD orientierte Organisationsstruktur des SDS nicht gewachsen. Die Spontaneität der Bewegung droht die größten Gruppen organisatorisch zu paralysieren. Ihr politisches Verhalten erschien deshalb zum großen Teil reaktiv aufgezwungen, und Ansitze für politisch-initiative Führung waren weitgehend hilflos.

Die unmittelbar in der Gegenwart sichtbare Erscheinung des Fallens der Wachstumsraten in den wichtigsten Kennziffern ökonomischen Wachstums erklärt sich nicht oberflächlich aus bloßen Konjunkturschwankungen. Die fundamentalen Faktoren wirtschaftlichen Wachstums werden konstituiert durch die quantitative und qualitative Bestimmung der Arbeitskräftestruktur und des davon abhängigen Standes in der Entwicklung der Produktionsmittel. Das Zusammenwirken dieser beiden Elemente begründet die "objektive Trendlinie" der wirtschaftlichen Entwicklung.

Auf der Grundlage einer hervorragenden Arbeitskräftestruktur in der BRD (Zustrom von Facharbeitern aus ehemaligen deutschen Ostgebieten und später aus der DDR bis zum 13. August 1961) konnte sich so ein durch amerikanisches Kapital vermittelter langer Aufstieg bis zur vollen Ausnutzung des vorhandenen Niveaus der Arbeitskräftestruktur und der von ihr in Bewegung gesetzten Produktionsmaschinerie durchsetzen. Hinzu kam, daß in der BRD der Eindruck eines Wirtschaftswunders nur entstehen konnte, "weil nicht nur die Folgen des Krieges überwunden wurden, sondern auch der zwischen zwei Weltkriegen entstandene Rückstand aufgeholt werden konnte."

1. Im Laufe der prosperlerenden Rekonstruktionsperiode mit ihren hohen Wachstumsraten wurden dem "schwachen Staat" durch den Druck politischer und sonstiger Interessenverbände hohe Subventionen abgerungen, die die herrschende Oligarchie unter den damaligen Bedingungen durchaus verkraften konnte.

2. Am Ende der Rekonstruktion, das heißt der Periode des Einlaufens in die Trendlinie, erscheinen die Subventionen als zusätzliche, meist unproduktive Ausgaben, als für die Weiterentwicklung der Ökonomie gefährliche Totgewichte, als gesellschaftliche faux frais, "tote Kosten" der kapitalistischen Produktion.

3. Das Eigengewicht der Interessenverbände innerhalb des Systems der Interessendemokratie kann in der noch pluralistischen Gesellschaft nicht wieder ohne weiteres abgebaut werden, muß aber am Ende der Rekonstruktion in den Griff bekommen werden. So tauchen die Begriffe der Rationalisierung, der Formierung und letztlich der "Konzertierten Aktion" auf. Die verschiedenen Reformversuche des Systems in der jetzigen Periode sind als Versuche des Kapitals zu begreifen, sich in die veränderten Bedingungen herrschafts- und profitmäßig anzupassen.

4. Die auffälligste Erscheinung der gegenwärtigen ökonomischen Formationsperlode ist die Zunahme der staatlichen Eingriffe in den wirklichen Produktionsprozeß als Einheit von Produktion und Zirkulation. Dieser Gesamtkomplex der staatlich-gesellschaftlichen Wirtschaftsregulierung bildet ein System des Integralen Etatismus, der im Unterschied zum Staatskapitalismus auf der Grundlage der Beibehaltung der privaten Verfügung über die Produktionsmittel die Gesetze der kapitalistischen Konkurrenz ausschaltet und den ehemals naturwüchsigen Ausgleich der Profitrate durch eine staatlich-gesellschaftlich orientierte Verteilung der gesamtgesellschaftlichen Mehrwertmasse herstellt.

In dem Maße, in dem durch eine Symbiose staatlicher und industrieller Bürokratien der Staat zum gesellschaftlichen Gesamtkapitalisten wird, schließt sich die Gesellschaft zur staatlichen Gesamtkaserne zusammen, expandiert die betriebliche Arbeitstellung tendenziell zu einer gesamtgesell- schaftlichen. Der Integrale Etatismus ist die Vollendung des Monopolkapitalismus.

Außerökonomische Zwangsgewalt gewinnt im Integralen Etatismus unmittelbar ökonomische Potenz. Damit spielt sie für die gegenwärtige kapitalistische Gesellschaftsformation eine Rolle, wie seit den Tagen der ursprünglichen Akkumulation nicht mehr. Bewirkte sie in jener Phase den blutigen Expropriationsprozeß der Volksmassen, der überhaupt erst die Trennung von Lohnarbeit und Kapital herbeiführte, wird sie Marx zufolge im etablierten Konkurrenzkapitalismus kaum noch angewandt. Denn die objektive Selbstbewegung des Begriffs der Warenform, ihres Wertes, konstituiert sich in dem Maße zu den Naturgesetzen der kapitalistischen Entwicklung, als die ökonomische Gewalt im Bewußtsein der unmittelbaren Produzenten verinnerlicht wird. Die Verinnerlichung ökonomischer Gewalt erlaubt eine tendenzielle Liberalisierung staatlicher und politischer, moralischer und rechtlicher Herrschaft. Der naturwüchsig produzierte Krisenzusammenhang der kapitalistischen Entwicklung problematisiert in der Aktualität der Krise die Verinnerlichung ökonomischer Gewalt, die in der Deutung der materialisti- schen Theorie zwei Lösungen kennt. Die Krise ermöglicht einerseits die Möglichkeit zu proletarischem Klassenbewußtsein und dessen Organisierung zur materiellen Gegengewalt in der autonomen Aktion der sich selbst befreienden Arbeiterklasse. Andererseits nötigt sie objektiv die Bourgeoisie im Interesse von deren ökonomischer Verfügungsgewalt zum Rückgriff auf die physisch terroristische Zwangsgewalt des Staates.

Der Ausweg des Kapitalismus aus der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 beruhte auf der Fixierung an die terroristische Machtstruktur des faschistischen Staates. Nach 1945 wurde diese außerökonomische Zwangsgewalt keineswegs abgebaut, sondern in totalitärem Ausmaß psychisch umgesetzt.

Diese Verinnerlichung beinhaltet den Verzicht auf manifeste Unterdrückung nach innen und war konstitutiv für den Scheinliberalismus und Scheinparlamentarismus, allerdings um den Preis der antikommunistischen Projektion eines absoluten Außenfeindes.

Die aus einer veränderten internationalen Konstellation entstandene "Entspannungspolitik" der BRD half mit, besonders am Ende der Rekonstruktionsperiode den Zersetzungsprozeß des militanten Antikommunismus zu forcieren. Die manipulativ verinnerlichte außerökonomische Zwangsgewalt konstituiert eine neue Qualität von Naturwüchsigkeit des kapitalistischen Systems. Allerdings wäre ein Eingriff in die Naturgesetze der kapitalistischen Entwicklung nur sinnvoll denkbar, wenn sie den objektiven Verwertungsprozeß des Kapitals strukturell veränderte. Ohne diese Annahme würde die Kritik des Systems der Manipulation bloße Kulturkritik bleiben und die Eindimensionalisierung aller Bereiche der Gesellschaft, nämlich die Einebnung der wissenschaftlichen Differenzen von überbau und Basis, Staat und Gesellschaft akzidentell bleiben. Sie erfährt erst ihre ökonomiekritische, materialistische Darstellung, wenn das Verhältnis von Wert und Tauschwert, Produktions- und Zirkulationssphäre selbst in die globale Eindimensionalisie- rung der Gesellschaft einbezogen wird. Die Frage also:

Wie paßt der Überbau, außerökonomische Gewalt von Staat, Recht etc. als ein institutionelles System von Manipulation in die Substanz der Warenproduktion, die abstrakte Arbeit selbst ein? Abstrakte Arbeit, die Substanz des Wertes, bezeichnet das arbeitsteilige Produktionsverhältnis von isoliert privat arbeitenden Individuen. Auf Grund deren Isolation in der Produktion sind sie gezwungen, ihre Produkte auf dem Markt als Waren zu verkaufen, d.h. der gesellschaftliche Verkehr der Produzenten untereinander stellt sich nicht in der Produktion selbst her, sondern in der Zirkulationssphäre.

Mit der Entwicklung zum Monopolkapitalismus zeichnet sich die Tendenz einer fortschreitenden Liquidation der Zirkulationssphäre ab, wodurch die Möglichkeit einer Aufhebung abstrakter Arbeit bezeichnet wird. Dies deutet Marx mit der Analyse der Aktiengesellschaft an, wenn er diese als Gesellschaftskapital unmittelbar assoziierter Individuen bezeichnet. Außerökonomische Zwangsgewalt, Staat und andere Überbauphänomene greifen derart in die Warenzirkulation ein, daß die abstrakte Arbeit durch ein gigantisches institutionelles Manipulationssystem artifiziell reproduziert wird.

Ebenso greift sie in die Warenproduktion der Ware Arbeitskraft ein. Wenn der technische Fortschritt der Maschine zwar potentiell die Arbeit abschafft, aber faktisch die Arbeiter abschafft und eine Situation eintritt, in der die Herrschenden die Massen ernähren müssen, wird die Arbeitskraft als Ware tendenziell ersetzt. Die Lohnabhängigen können sich nicht einmal mehr verdingen, die Arbeitslosen verfügen nicht einmal mehr über ihre Arbeitskraft als Ware. Daß am Ende der Rekonstruktion die strukturelle Arbeitslo- sigkeit nicht mehr im Zusammenhang mit der Funktionsbestimmung der Reservearmee analysierbar ist, ist Indiz dafür. Diese Tendenz ist begreifbar nur im Rahmen der durch den technischen Fortschritt zur Automation bewirkten Konstellationsveränderung im Verhältnis von toter und lebendiger Arbeit. Wie Karl Korsch und Herbert Marcuse mit Bezug auf Marx andeuteten, bewirkt diese Konstellationsveränderung, daß nicht mehr das Wertgesetz, die objektiv sich durchsetzende Arbeitszeit, den Wertmaßstab abgibt, sondern die Totalität des Maschinenwesens selber.

Diese Hypothesen lassen grundsätzliche Folgerungen für die Strategie revolutionärer Aktionen zu. Durch die globale Eindimensionalisierung aller ökonomischen und sozialen Differenzen ist die damals praktisch berechtigte und marxistisch richtige Anarchismuskritik, die des voluntaristischen Subjektivismus, daß Bakunin sich hier auf den revolutionären Willen allein verlasse und die ökonomische Notwendigkeit außer acht lasse, heute überholt.

Wenn die Struktur des Integralen Etatismus durch alle seine institutionellen Vermittlungen hindurch ein gigantl- sches System von Manipulation darstellt, so stellt dieses eine neue Qualität von Leiden der Massen her, die nicht mehr aus sich heraus fähig sind, sich zu empören. Die Selbstorganisation ihrer Interessen, Bedürfnisse, Wünsche ist damit geschichtlich unmöglich geworden. Sie erfassen die soziale Wirklichkeit nur noch durch die von ihnen verinnerlichten Schemata des Herrschaftssystems selbst. Die Möglichkeit zu qualitativer, politischer Erfahrung ist auf ein Minimum reduziert worden. Die revolutionären Bewußtseinsgruppen, die auf der Grundlage ihrer spezifischen Stellung im Institu- tionswesen eine Ebene von aufklärenden Gegensignalen durch sinnlich manifeste Aktion produzieren können, benutzen eine Methode politischen Kampfes, die sie von den traditionellen Formen politischer Auseinandersetzung prinzipiell unterscheidet.

Die Agitation in der Aktion, die sinnliche Erfahrung der organisierten Einzelkämpfer in der Auseinandersetzung mit der staatlichen Exekutivgewalt bilden die mobilisierenden Faktoren in der Verbreiterung der radikalen Opposition und ermöglichen tendenziell einen Bewußtseinsprozeß für agierende Minderheiten innerhalb der passiven und leidenden Massen, denen durch sichtbar irreguläre Aktionen die abstrakte Gewalt des Systems zur sinnlichen Gewißheit werden kann. Die "Propaganda der Schüsse" (Che) in der "Dritten Welt" muß durch die "Propaganda der Tat" in den Metropolen vervollständigt werden, welche eine Urbanisierung ruraler Guerilla-Tätigkeit geschichtlich möglich macht. Der städtische Guerillero ist der Organisator schlechthinniger Irregularität als Destruktion des Systems der repressiven Institutionen.

Die Universität bildet seine Sicherheitszone, genauer gesagt, seine soziale Basis, in der er und von der er den Kampf gegen die Institutionen, den Kampf um den Mensagroschen und um die Macht im Staate organisiert.

Hat das alles etwas mit dem SDS zu tun? Wir wissen sehr genau, daß es viele Genossinnen und Genossen im Verband gibt, die nicht mehr bereit sind, abstrakten Sozialismus, der nichts mit der eigenen Lebenstätigkeit zu tun hat, als politische Haltung zu akzeptieren. Die persönlichen Voraussetzungen für eine andere organisatorische Gestalt der Zusammenarbeit in den SDS-Gruppen sind vorhanden. Das Sich-Verweigern in den eigenen Institutionsmilieus erfordert Guerilla-Mentalität, sollen nicht Integration und Zynismus die nächste Station sein.

Die bisherige Struktur des SDS war orientiert am revisionistischen Modell der bürgerlichen Mitgliederparteien. Der Vorstand erfaßt bürokratisch die zahlenden Mitglieder unter sich, die ein bloß abstraktes Bekenntnis zu den Zielen ihrer Organisation ablegen müssen. Andererseits vermochte der SDS die perfekte Verwaltungsfunktion revisionistischer Mitgliederparteien nicht voll zu übernehmen, da er ein nur teilbürokratisierter Verband ist, ein organisatorischer Zwitter. Demgegenüber stellt sich heute das Problem der Orga-nisation als Problem revolutionärer Existenz.



Dieser Text, gemeinsam mit Hans-Jürgen Krahl verfaßt und von Rudi Dutschke am 5. September 1967 auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS in der Frankfurter Mensa vorgetragen, löste sofort heftige Kontroversen innerhalb der Organisation aus: er war ein wichtiger Beitrag zur Ablösung der Antiautoritären von dem traditionalistiscben SDS-Flügel (der in der KPD-Tradition stand).

Zum Attentat auf Rudi Dutschke

Am Abend des 10. April 1968 stieg der 23 Jahre alte Münchner Arbeiter Josef Erwin Bachmann um 21.52 Uhr in den Nachtexpreß nach Berlin. In seinem Gepäck hatte er einen alten Colt versteckt. Als er am nächsten Morgen aus dem Zug steigt, herrscht strahlender Sonnenschein. Es ist Gründonnerstag. In den Außenbezirken von Berlin ist nur wenig Verkehr. Rudi Dutschke, sogenannter SDS-Chefideologe, unterbricht die Arbeit am Manuskript über seine Prag-Reise in der vergangenen Woche, schwingt sich auf sein rostrotes Fahrrad und fährt in die Innenstadt, um eine Apotheke zu suchen. Er will Nasentropfen für Hosea-Che, seinen 12 Wochen alten Sohn, holen. Am Kurfürstendamm 140 macht Dutschke kurz Station. Im SDS-Zentrum möchte er bei der Gelegenheit noch etwas erledigen. Es ist etwa 16 Uhr. "Rudi, da hat eben jemand nach dir gefragt", berichtet ein SDS-ler. "Ok, soll unten warten", antwortet Dutschke. Josef Bachmann hatte schon eine ganze Weile warten müssen, bis Rudi Dutschke das Haus verließ und mit dem Fahrrad zur nahegelegenen Apotheke fuhr, wo er auf dem Sattel sitzend wartete: "Die Mittagspause der Apotheke war noch nicht beendet. Nach einigen Minuten sah ich, wie ein Auto im Mittelweg des Kudamms einparkte und ein Mann sich in meine Richtung in Bewegung setzte. Ohne etwas zu ahnen, sah ich, wie er mir immer näher kam. Nachdem die letzte Autowelle zwischen uns vorübergefahren war, ging Bachmann nun über die Straße. Kaum hatte er den Gehweg erreicht, wendete er sich direkt an mich und fragte in einem Abstand von ca. zwei Metern: 'Sind Sie Rudi Dutschke?' Ich zögerte nicht und sagte 'Ja' und in einem sekundenhaften, blitzartigen Augenblick riß er seine Pistole aus der Jackentasche und schießt. Da war keine andere Frage, kein Nachdenken, kein Zögern." Insgesamt drei Schüsse feuerte Bachmann auf Dutschke ab. "Ich war so im Haß, ich hatte so eine Wut", antwortete Josef Bachmann später dem Richter auf die Frage, warum er denn geschossen habe. "Sie kannten ihn?", fragte der Richter Bachmann: "Man kennt ihn von Bildern". Richter: "Und dann?" Bachmann: "Dann sagte ich, du dreckiges Kommunistenschwein. Dutschke kam auf mich zu, und ich zog den Revolver und schoß den ersten Schuß." Bachmann floh in den Keller eines Rohbaus, verschanzte sich dort, nahm eine Überdosis Schlaftabletten und lieferte sich ein Feuergefecht mit der Polizei. Zu dieser Zeit lag Rudi Dutschke bereits Stunden auf dem Operationstisch des Westend-Krankenhauses. Die Überlebenschancen standen, nachdem der Sender Freies Berlin bereits seinen Tod gemeldet hatte, 50:50. Am Karfreitag erwacht er aus der Narkose. Es besteht keine unmittelbare Lebensgefahr mehr.

Unterdessen ist die Stadt in hellem Aufruhr. Die Nachricht vom Attentat geht um die Welt. Wie die vor sechs Tagen: als James Earl Ray Martin Luther King erschossen hatte. Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger schickt Gretchen Dutschke ein Telegramm, hofft "von herzen, daß ihr mann von seinen verletzungen völlig genesen wird".

Verzweiflung und Ratlosigkeit herrschten am frühen Abend des Gründonnerstags im SDS-Zentrum, wo sich spontan viele Menschen versammelt hatten. Als die Nachricht kam, Rudi Dutschke sei nicht tot, faßte man neuen Mut und setzte eine Pressekonferenz im Republikanischen Club an, wo als Hauptschuldiger für den Mordanschlag Axel Springer genannt wurde, dessen Zeitungen erst die Voraussetzungen für eine solche Tat geschaffen hätten. Eine Stunde später: 2000 schweigende Studentinnen und Studenten sitzen auf ihren Holzstühlen im Auditorium Maximum der Technischen Universität. Ein Redebeitrag von Bernd Rabehl sprengt die beklemmende Atmosphäre: "Ich darf daran erinnern, welche Pogromhetze von den Abgeordneten des Senats nach dem 2. Juni 1967 stattfand. Ich erinnere daran, daß ein Neubauer und ein Schütz (Innensenator und Regierender Bürgermeister) diese außerparlamentarische Opposition zusammenschlagen wollten. Und ich spreche ganz deutlich aus: die wirklichen Schuldigen heißen Springer, und die Mörder heißen Neubauer und Schütz."Rabehl formulierte, was in der Luft lag: der Marsch auf den Springer-Konzern in der Kreuzberger Kochstraße beginnt. Fünftausend Menschen sind es, die sich gegen 23 Uhr in Richtung Kochstraße aufmachen. "Bei dieser Demonstration ist bei mir mein ganzes Leben, alles nochmal abgelaufen, verstehst du", erzählt einer von ihnen, Bommi Baumann. "Alle Schläge, die ich gekriegt habe, was du so alles erlebst, was du als Ungerechtigkeit empfindest. Die Empörung über das Attentat an Rudi war inzwischen in ganz Deutschland so groß, und in allen Städten ist am selben Abend etwas passiert, da war so eine Stimmung voll Sympathie für Rudi, daß die Bullen gar nicht einschritten. Sie haben sich anders verhalten als sonst. Da waren Polizeioffiziere, die haben gesagt, Kinder, wir können euch doch verstehen, aber macht's nicht zu doll, die haben ja in dem Getümmel noch richtig mit uns gesprochen." Vor dem Springer-Hochhaus wartet schon ein riesiges Polizeiaufgebot, dessen Operationen Innensenator Neubauer vom Dach aus beobachtet. Steine fliegen, Scheiben klirren, und mitten im Getümmel taucht der Genosse Peter Urbach auf und verteilt gut präparierte Mollies, "Molotowcocktails" an Interessierte. Sie finden reißenden Absatz. Auch Bommi Baumann greift zu. Er kennt Urbach aus der 'Kommune 1'. Was er damals noch nicht weiß: Urbach arbeitet für den Verfassungsschutz, dessen politischer Chef gerade auf dem Dach des Hauses Springer steht. Kurz nach Mitternacht lassen "diese köstlichen Mollies" (Bommi Baumann) die ersten Auslieferungswagen von 'Morgenpost' und 'BZ' in Flammen aufgehen. Kaum hundert Meter entfernt stehende Wasserwerfer werden nicht zum Löschen eingesetzt, so daß etwa fünf Wagen ausbrennen. Zehn weitere werden von Demonstranten umgekippt und demoliert. Eine Gruppe, die sich in breiter Reihe formiert und mit Holzstangen bewaffnet hat, versucht, den Haupteingang des Springer-Verlagsgebäudes zu stürmen. Tatsächlich gelingt ihr beim ersten Anlauf das Durchbrechen der Polizeikette. Etwa zwanzig erreichen den Treppenaufgang, dann werden sie von knüppelbewehrten Springer-Angestellten zurückgeschlagen. Draußen gelingt es unterdessen einem Studenten, auf einen Wasserwerfer zu klettern und die Spritzkanone auf die Polizeiketten zu lenken. Die Ordnungskräfte reagierten mit weiteren Knüppeleinsätzen. "An dem Abend ist irrsinnig viel passiert, das hat dir auch wirklich 'ne Kraft gegeben. Hier sind einfach von der anderen Seite die Schranken überschritten worden, und das ist einfach die richtige Antwort gewesen. Die allgemeine Hetze hat einfach ein Klima geschaffen, wo du mit Späßchen nichts mehr erreichen kannst. Wo sie dich so oder so liquidieren, ganz egal was du machst. Bevor ich nun wieder nach Ausschwitz transportiert werde, denn schieß ich lieber vorher." Bommi Baumann beschrieb seinen Eindruck, seine 'feelings', die nichts mehr mit den 'twist-feelings' aus dem Anfang der sechziger Jahre zu tun hatten. Und seine Worte beschreiben Gedanken, die damals in vielen Köpfen herumschwirrten. "Gestern Dutschke, morgen wir" riefen die Demonstranten in Berlin, Hannover, Frankfurt, München, Stuttgart, Esslingen und Hamburg. Ohne daß es einer Verabredung bedurft hätte, wurden Springer-Druckereien in ganz Westdeutschland und West-Berlin belagert. Über die gesamten Osterfeiertage zogen sich die Blockadeaktionen, Demonstrationen und Besetzungen hin. "Es kam zu Straßenschlachten, wie sie Westdeutschland seit der Weimarer Republik nicht mehr gekannt hatte", schrieb der SPIEGEL in seiner Ausgabe über die "Osterunruhen".


Forderungen der APO nach dem Attentat auf Dutschke an Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin

Ausgehend davon,
 

- daß der Mordanschlag auf Rudi Dutschke nicht die Wahnsinnstat eines einzelnen ist,
 

- daß die Springerpresse mit ihrer systematischen Hetze gegen die linke Opposition erst das Klima geschaffen hat, in dem ein einzelner diese Tat planen und durchführen konnte,
 

- daß die übrigen Tageszeitungen Westberlins, die Rundfunk- und Fernsehanstalten durch ihre Falschmeldungen nicht nur über die außerparlamentarische Bewegung und deren Ziele, sondern auch über andere politische Probleme die Hetzkampagnen der Springerpresse möglich gemacht haben,
 

- daß der Westberliner Senat, das Abgeordnetenhaus, die Westberliner Partei- und Gewerkschaftsspitzen durch ihre Lügen die Wirtschaftsmisere dieser Stadt zu verschleiern suchen und sich zu Handlangern der Manipulationszentren machen, fordern wir:
 

1. Rücktritt des Senats und Bildung eines neuen Senats, der mit uns zusammen erste Schritte unternimmt, in Westberlin demokratische Verhältnisse zu schaffen.
 

2. Unverzügliche Enteignung Springers und Schaffung eines Rates aus Arbeitern, Angestellten, Studenten und Schülern, der Pläne dafür ausarbeitet, wie die Produktionsmittel dieses Konzerns in den Dienst einer demokratischen Öffentlichkeit gestellt werden können.
 

3. Dieser Rat hat ebenfalls Pläne zur Demokratisierung der Rundfunkanstalten zu erarbeiten. Für den RIAS fordern wir die sofortige Ablösung der amerikanischen Kontrolle durch ein gewähltes und jederzeit abwählbares Kontrollorgan; in den SFB sind sofort Vertreter der außerparlamentarischen Opposition in die Aufsichtsgremien hineinzuwählen. [...]
 

4. Für die Zeit bis zum 1. Mai fordern wir täglich eine Stunde Sendezeit, um mit der arbeitenden Bevölkerung dieser Stadt über die wirtschaftliche und politische Lage Westberlins und Möglichkeiten ihrer Veränderung diskutieren zu können. Damit soll gewährleistet werden, daß die Bevölkerung entscheiden kann, ob ihre Teilnahme in der sogenannten Freiheitskundgebung auf dem Platz der Republik oder an einer sozialistischen Maidemonstration ihren wahren Interessen entspricht.
 

Westberlin, den 12. April 1968


Ich hoffe, daß diese Seite dazu beiträgt, den Namen Rudi Dutschkes,
meiner Ansicht nach einen der bedeutendsten Menschen den die Deutschen in diesem Jahrhundert hervorbrachten, in Erinnerung zu behalten!
 

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